Hannelore Höpner, in Stralsunds Kneipenszene von allen nur liebevoll „Hanni“ genannt, war die allseits geschätzte Wirtin der ältesten Hafenkneipen Europas „Zur Fähre“ in Stralsund. Ihre Kneipe wurde anno 1332 erstmals urkundlich erwähnt als „Taberna opud passagium“, das Wirtshaus nahe dem Fähranleger.
Seit Mitte der 70iger Jahre hat sie sich in verschiedenen Kneipen und Restaurants einen Namen als Gastronomin gemacht, die immer einen flotten Spruch auf den Lippen hat, für jeden Spaß zu haben und neuen, kreativen Dingen sehr aufgeschlossen ist.
Außerdem hat sie sich von einer waschechten Sachsenanhaltinerin zu einer waschechten Wind- und Wetterexpertin gemausert und gehört mittlerweile einfach zu Stralsund wie der Strelasund und die Heringsangler am Hafen!
Seit Mai 2021 hat Hanni mit ihrer Tochter Franzi eine würdige Nachfolgerin für die Kneipenführung gefunden. Franzi bringt eigene Ideen ein, führt aber auch die Traditionen weiter.
Ostsee-Zeitung: 12.01.2022
Stralsunds Kultkneipe „Zur Fähre“: Wirtin Hanni reicht den Schlüssel weiter
Europas älteste Kneipe „Zur Fähre“ bekommt eine neue Chefin: Hanni Höpner übergibt ihr zweites Wohnzimmer an Tochter Franziska. Stammgäste müssen sich aber keine Sorgen machen – das Gespann sorgt für einen „behutsamen Übergang“. Was sich dennoch ändert.
Stralsund Der Name Hanni Höpner ist so eng mit Stralsunds Kultkneipe „Zur Fähre“ – der ältesten Kneipe Europas – verbunden, dass das Haus ohne seine Wirtin kaum vorstellbar scheint. Und doch müssen die Stammgäste sich an diesen Gedanken gewöhnen. Mit 65 Jahren möchte Hanni kürzer treten. Aber solch eine geschichtsträchtige Wirtsstube einfach in irgendwelche Hände abgeben – undenkbar. Seit 50 Jahren ist sie in der Gastronomie tätig, seit 35 Jahren selbstständig und hat vor 22 Jahren die „Fähre“ übernommen. „Hier fühlte ich mich angekommen.“
Als sich Hanni Höpner vor zwei Jahren jedoch erstmals Gedanken über einen Rückzug machte, griff Tochter Franziska die Idee auf. „Aber erst mal musste ich hier reinschnuppern und fing an, hier mitzuarbeiten“, sagt die 40-Jährige. Dabei ist sie keineswegs ohne Erfahrung.
Zwar hat sie ursprünglich eine Ausbildung zur Kauffrau für Verkehrsservice bei der Bahn absolviert, ist aber im Gastronomieunternehmen ihrer Mutter groß geworden und hat später im „Goldenen Anker“ oder der „Werkstatt“ gearbeitet. „Schon mit 14 Jahren hatte ich das erste Mal im Biergarten gearbeitet und mir damals gedacht: Das willst du nicht machen. Jetzt kann ich mir gar nichts anderes mehr vorstellen“, gesteht die junge Frau mit dem strahlenden Lächeln.
Mutter und Tochter als Team
Wenn Mutter und Tochter jedoch auch noch beruflich so eng verbunden sind, birgt dies oft Konfliktpotential, wie die beiden auch zugeben. Nach 17 Jahren entschied sich Franzi für einen anderen beruflichen Weg. Dass der auf Dauer doch nicht der richtige ist, spürte sie spätestens zu dem Zeitpunkt, als die Mutter den Wunsch einer Nachfolge hatte. So stand sie nun, fünf Jahre nach dem damaligen Abschied, wieder hinter einem Tresen und stieg im Mai 2021 in der „Fähre“ ein.
Doch auch wenn neue Besen bekanntlich gut kehren, will sie hier keineswegs alles erneuern. „Es ist nicht so, dass meine Mutter alles aus der Hand gibt und alles wird anders. Es wird ein behutsamer Übergang“, versichert Franzi Höpner. „Man kann hier auch gar nicht so viel verändern. Es ist ein magischer Ort“, sagt Hanni Höpner. „Wenn man solch ein Haus kauft ist klar, es ist ein Haus mit Seele. Und ich bin froh, dass ich meiner Tochter all die Geschichten erzählen kann.“
Von Frau zu Frau
Auf eines hat die Tochter dann aber doch Wert gelegt. „Die Damen haben hier doch hin und wieder mal nach anderen Getränken gefragt, so dass wir neben Bier und Schnaps auch ein paar Frauengetränke aufgenommen haben“, berichtet Franzi. Auch dass im vergangenem Sommer Tische und Stühle für einen Biergarten vor die Tür kamen, war ihr Wunsch.
Um das Leben als Wirtin mit dem der Mutter eines 12-jährigen Sohnes zu vereinen, hat sich Franzi Höpner auch tatkräftige Unterstützung neuer Mitarbeiterinnen gesichert, die ebenfalls alle Mütter sind und sich gegenseitig absichern.
Den Silvesterabend haben Mutter und Tochter noch Seite an Seite in ihrer „Fähre“ absolviert. „Mit einem guten Gefühl und einem breiten Lächeln“, wie Hanni versichert. Noch immer liebt sie den Kontakt mit den Gästen. „Das schönste Kompliment ist hier, wenn die Leute nur ein Bier trinken wollen und am Ende werden es zwei, drei, vier“, sagt sie. Das interpretiert Franzi Höpner ähnlich: „Man bekommt die Resonanz immer noch am gleichen Abend. Das ist das Schöne an dem Beruf.“
Das Ritual um 19 Uhr
Eines wird aber auch versprochen: So schnell verschwindet Hanni nicht aus ihrer Kneipe. „Bei der Übernahme geht es vor allem um das Gastronomische. Es bleibt weiter ihr Wohnzimmer“, so die Jungwirtin. Schließlich lebt Hanni weiterhin direkt über dem Ausschank und braucht nur ein paar Stufen hinabzusteigen, um alte Stammgäste wieder zu begrüßen. „Aber die Gastronomie ist nun mal nicht zu unterschätzen. Daher bin ich beruhigt, dass ich das Geschäft in die Hände meiner Tochter legen kann“, so Hanni.
Und sie verrät auch, wie sie sich ihren behutsamen Rückzug vorstellt. „Jeden Abend um 19 Uhr werde ich hier die Glocke glasen.“ Im vergangenem November hatte sie das Ritual erst wieder entdeckt, welches ihr Vorgänger Dieter Dettmann eingeführt hatte. Dieser bekam von seinem Stammgast Julius „Jule“ Guldbrandt zum Jubiläum seiner 50-jährigen Einkehr in die „Fähre“ 1986 eine Glocke und bat darum, dass man sie auch nach seinem Tod noch läuten möge, was Dettmann auch tat. Als Dieter Dettmann bereits schwer krank die Kneipe an Hanni Höpner übergab, hörte sie die Geschichte, sie geriet aber in Vergessenheit.
Der Schnack am Sonntag
Sie ist nicht nur froh, dass sie solche Geschichten ihrer Tochter mit auf den Weg geben kann, sondern tut dies auch gerne weiterhin für ihr Publikum. Jeden Sonntag um 15 Uhr lädt sie gemeinsam mit dem Autor Steffen Melle in die „Fähre“, um über Geschichte und Geschichten des Hauses zu berichten. Aufgrund der begrenzten Platzkapazitäten sind diese Veranstaltung stets schnell ausgebucht und sollten möglichst langfristig vorbestellt werden. Und abseits ihrer Besuche im Erdgeschoss hat sie schließlich auch noch ihre Enkelkinder, denn auch ihr Sohn möchte demnächst wieder in die Hansestadt zurückkehren, was Hanni noch glücklicher macht.
Und selbst wenn sie nun die Gäste nicht mehr persönlich bewirten wird, weiß sie, dass sie sich weiterhin an dem Trubel erfreuen wird. „Ich bin ja genau oben drüber und freue mich immer, wenn ich in meinem Wohnzimmer von unten das Lachen höre“, meint Hanni Höpner, die ihr zweites Wohnzimmer so nie aus den Augen und dem Herzen bekommen wird.
Von Wenke Büssow-Krämer